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Diese Rubrik
mit kommentierten Buchempfehlungen zum Thema Schamanismus wurde von Thomas
Kaestle für das Connection-Sonderheft
Schamanische Wege des Heilens zusammengestellt. Sie ergönzt seinen
darin veröffentlichten Artikel Schamanen, Heiden, Hexen - Durch den Dschungel
alternativer Wege.
Hagazussa.
Auf dem Zaun zwischen den Welten. Eine Annöherung in Bildern. Esther
Beutz. Preis: EUR 19,95. Gebundene Ausgabe - Arun Vlg., Vilsb. ISBN:
3927940585. Das Buch ist zur Zeit nur gebraucht erhältlich.
Dies ist natürlich kein Buch über Schamanismus, sondern es geht
hier um Neue Hexen. Deshalb finden Sie es zusätzlich
auch unter der entsprechenden Rubrik. An dieser Stelle wird es präsentiert,
weil es in einem engen Zusammenhang zum Verfasser des Connection-Artikels
über Schamanismus und der Rezensionen in dieser Rubrik steht: Thomas
Kaestle hat in Hagazussa einen längeren Essay zum neuen Heidentum
veröffentlicht. Außerdem hat die Fotografin und Autorin dieses
Buches, Esther Beutz, Fotografien daraus für das Connection Spezial
zur Verfügung gestellt. Wer von den Bildern zu den Artikeln von Thomas
Kaestle, Alexandra Rosenbohm und Rita Crecelius fasziniert war, wird Hagazussa
lieben. Angucken? www.hagazussa.de!
Die
andere Wirklichkeit der Schamanen.
Erfahrungsberichte von Magiern, Medizinmönnern und Visionören. Joan Halifax.
München 1981. Preis: EUR 19,90. Gebundene Ausgabe (1999) -
326 Seiten - H. Nietsch Vlg., Freib. ISBN: 3929475863
Die Autorin Joan Halifax ist eine Anthropologin, die weltweite Feldforschungen
zum Schamanismus betrieben hat. In diesem Buch veröffentlicht sie Berichte
und Statements von Schamanen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen Ð
über Tröume, Rituale, die Anderswelt und das Heilen. Die Originaltexte,
die sie entweder selbst aufgezeichnet oder aus Primörquellen zusammengestellt
hat, leitet sie jeweils durch kurze Beschreibungen einer Situation oder
eines kulturellen Hintergrundes ein. Im ersten Teil des Buches liefert sie
eine kurze, aber seriöse und fundierte Einführung in den Schamanismus. Trotz
seines wissenschaftlichen Anspruchs als Materialsammlung ist Die andere
Wirklichkeit der Schamanen populör genug formuliert, um auch Laien einen
faszinierenden Einblick in die verschiedenen Ausprögungen des Schamanismus,
aber auch dessen kulturübergreifende Gemeinsamkeiten zu bieten. Ein anregendes
Lesebuch für all jene, die sich anhand von Primörquellen und Zitaten in
jene andere Wirklichkeit entführen lassen, dabei jedoch auf einen fundiert
aufbereiteten Hintergrund und roten Faden nicht verzichten möchten.
Halluzinogene Drogen im Schamanismus. Mythos und Ritual im kulturellen
Vergleich. Alexandra Rosenbohm, Berlin 1991. Taschenbuch - 178 Seiten
- Reimer, Bln. ISBN: 3496004010, zur Zeit leider nicht verfügbar
Diese ausführliche und sehr spezielle Darstellung des Themas wurde von der
Ethnologin Alexandra Rosenbohm als Doktorarbeit verfasst. Der wissenschaftliche
Anspruch und die Seriositöt des Buches steht somit au§er Frage. Dennoch
ist der Einbick in das Thema alles andere als trocken: Die Autorin vergleicht
vier kulturell sehr unterschiedliche und geographisch weit entfernte Beispiele
und zeigt so Zusammenhönge in Gebrauch, Funktion und ritueller Einbindung
der jeweiligen Halluzinogene auf. Dabei handelt es sich um den Fliegenpilz
bei den uralischen und palöoasiatischen Völkern, den Peyote-Kaktus bei den
mexikanischen Huichol-Indianern, den Psilocybinpilz bei den mexikanischen
Mazateken und die YajŽ-Liane bei den südamerikanischen Tukano. Bei der Beschreibung
der jeweiligen Kulturen und ihrer schamanischen Rituale geht die Autorin
auf biologische, psychologische, kulturelle und soziale Faktoren ein, in
den Kapiteln über die Halluzinogene auf deren mythische Bezüge, Dosierung
sowie auf die Inhalte der Seelenreise-Erlebnisse der Schamanen. Dieses Buch
ist geeignet für wissenschaftlich interessierte Leser, aber auch für jene,
die ihr Grundwissen über Schamanismus in diesem speziellen Bereich ergönzen
möchten. Jenseits aller populören Klischees über halluzinogene Drogen findet
der Interessierte hier fundierte Hintergründe und spannende Entsprechungen.
Keltischer
Schamanismus. Rituale, Symbole, Traditionen. John Matthews.
Preis: EUR 12,50. Taschenbuch - 301 Seiten - Diederichs, München. ISBN:
3424014230. Wird 2006 wieder aufgelegt.
John Matthews ist ein Insider: Seit den 60er Jahren hat er sich in vielföltiger
Weise mit dem Schamanismus und seinen weltweiten Ausprögungen beschöftigt.
Ob New Age und Castaneda, die Stömme Nordamerikas oder ethnologische Querverbindungen
Ð sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis war der Autor offen für
Erkenntnisse. Mehr noch, er sammelte sogar spirituelle Erfahrungen in
Hexentraditionen und setzte sich mit der vorchristlichen Vergangenheit
der Britischen Inseln auseinander. In der Verbindung all dieser Aspekte
erschloss er sich schlie§lich eine schamanische Tradition, die wenig exotisch
anmutet, sich dafür aber nahe an den religiösen Wurzeln von uns Westeuropöern
bewegt: den keltischen Schamanismus.
Matthews Kenntnisse sind differenziert und seriös, wo er sich seinem Thema
theoretisch annöhert. Den grö§eren Teil dieses Buches jedoch nimmt ein
sehr detaillierter Praxisteil ein, der in Traditionen und Techniken einführt,
Hintergründe verdeutlicht und mit †bungen vorsichtig an schamanische Wahrnehmungs-
und Erlebnisweisen heranführt. Einiges davon mag ethnologisch oder historisch
anfechtbar sein, überwiegend stellt der Autor sein Thema jedoch sehr sensibel
und nachvollziehbar dar. Zudem geht es ihm bei der Praxis nicht so sehr
um historische Bezüge, sondern vielmehr darum, wie schamanische Techniken
heute in einen westeuropöischen Alltag einflie§en und unser Bewusstsein
beeinflussen können. Die Fülle und Vollstöndigkeit des hierbei dargestellten
Materials hebt diesen Band weit über viele der eher oberflöchlichen esoterischen
Veröffentlichungen zum Schamanismus hinaus. Gerade in der Verknüpfung
mit anderen heidnischen Traditionen und einem übergreifenden paganistischen
Weltbild erweist sich John Matthews Perspektive als fruchtbar. Ergiebig
und anregend.
Die
Lehren des Don Juan. Ein Yaqui- Weg des Wissens. Carlos Castaneda.
Preis: EUR 8,90. Taschenbuch - 280 Seiten - Fischer-TB.-Vlg. Ffm. ISBN:
3596214572
Tja, womit anfangen? Damit, dass dieses Buch vor fast drei§ig Jahren in
der aufkeimenden New-Age-Esoterik ein wesentlicher Meilenstein war und
seither unzöhligen Lesern den Weg in deren individuelle Erfahrungswelten
gewiesen hat? Oder eher damit, dass der Erfolg des Buches und seiner vielen
Nachfolgebönde hauptsöchlich durch das Geheimnis zustande kam und kommt,
das der Autor schon seit damals um sich und seine Erlebnisse macht? Angeblich
prösentiert Castaneda einen authentischen Bericht über seine Reise in
die mexikanische Wüste, seine Lehrzeit bei einem Schamanen der Yaqui,
die Verönderung seines Bewusstseins, seine Anderswelterfahrungen. Da§
all dies jemals so stattgefunden hat, wird inzwischen weitgehend angezweifelt
Ð der Autor, der im übrigen damals noch Student und mitnichten Ethnologe
war, mag einige der geschilderten Erfahrungen tatsöchlich gemacht haben.
Nur eben nicht in diesem Zusammenhang. Insofern kann hier getrost von
einem Roman gesprochen werden, der wissenschaftliche Anspruch von Castanedas
Büchern ist gering. Dennoch: Der übergro§e Erfolg ist nicht wegzudiskutieren.
Und die Auswirkungen auf den Horizont so vieler Leser wohl auch kaum.
Ob die gemachten Erfahrungen nun originör schamanisch oder doch eher esoterisch
sind, mag dabei für viele keine Rolle spielen. Inspirierend ist der Stoff
so oder so.
Die Metamorphose der Frau. Weiblicher Schamanismus und Dichtung.
Berlin 1984, leider vergriffen
Wilhelm Mühlmanns Lebenslauf erinnert an die Zeiten der Universalgelehrten:
Naturwissenschaften, Philosophie, Anthropologie, Ethnologie, Soziologie,
Völkerpsychologie. Dabei hat er 35 Jahre seines wissenschaftlichen Lebens
als Professor gelehrt, unterbrochen von zahlreichen Forschungsreisen.
Es verwundert kaum, dass ein solcher Autor fasziniert ist von einer föcherübergreifenden
Perspektive auf die Dinge. So auch in diesem Band, in dem er das Phönomen
Schamanismus zunöchst in seinen Ursprüngen, Strukturen und Ausprögungen
darstellt, um dann kapitelweise und sehr detailliert auf dessen einzelne
Aspekte einzugehen. Zweierlei ist dabei ungewöhnlich an seinen Ausführungen.
Zum einen betrachtet er den Schamanismus als eine stark weiblich geprögte
Tradition, geht sogar so weit, weiblichen Schamanismus als ein ursprüngliches
Phönomen zu bezeichnen.
Zum anderen steht neben fundiertem anthropologischem und ethnologischem
Wissen eine Wissenschaft im Vordergrund, die wohl spontan niemand so recht
mit Schamaninnen assoziieren würde: Mühlmann untersucht literaturhistorisch,
wo und auf welche Weise die von ihm erlöuterten schamanischen Aspekte
Eingang gefunden haben in verschiedenste Werke der Weltliteratur. Auch
hierbei liegt seine zentrale Perspektive auf der Weiblichkeit, vor allem
wenn er im zweiten Teil des Buches nöher auf bestimmte Autoren und Autorinnen
und deren kulturelle Hintergründe eingeht, so zum Beispiel auf Annette
von Droste-Hülshoff. Dieser Band prösentiert eine Herangehensweise an
den Schamanismus, die wohl Ihresgleichen sucht Ð die Verknüpfung von Anthropologie
und Ethnologie mit Literaturgeschichte und Kulturphilosophie ist so gewöhnungsbedürftig
wie spannend. Zweifellos nöhert sich der Autor seinem Thema jedoch mit
gro§er Fachkenntnis, welche allerdings in ihrer Komplexitöt auch bei seinen
Lesern eine gewisse Vertrautheit mit den entsprechenden wissenschaftlichen
Kontexten voraussetzt.
Neopaganismus und Stammesreligionen. Ein religionswissenschaftlicher
Vergleich. Jürgen Wolf. Münster 1997, leider vergriffen
Die Umstönde, unter denen dieses Buch entstanden ist, lassen bereits auf
dessen Perspektive deuten: Jürgen Wolf ist christlicher Pfarrer und hat
sich viele Jahre lang in einer kirchlichen Stelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen
engagiert. Der vorliegende Band entstand als Dissertation in einem theologischen
Fachbereich, nicht in einem religionswissenschaftlichen. Das hei§t, der
Autor vertritt keine neutral wissenschaftliche Perspektive auf das neue
Heidentum, sondern blickt aus einer christlichen Position auf diese grundverschiedenen
Religionen und Traditionen. Dabei unterscheidet er indianische Stammesreligionen,
Schamanismus, vorgeschichtliche Religionen, Druidentum sowie germanische
Religionen, die er jeweils in ihren Ursprüngen wie auch als Neo-Religionen
darstellt. Er versucht dabei, verschiedene soziale und psychologische
Motivationen für das Aufgreifen archaischer religiöser Strukturen in modernen
Religionen zu unterscheiden.
Letztlich fehlt ihm jedoch leider ein tieferer Einblick in deren Strukturen,
so dass er mit den altbekannten Klischees nur an der Oberflöche kratzt.
Es föllt ihm offensichtlich schwer, die neuen heidnischen Strömungen als
ernsthafte religiöse Phönomene wahrzunehmen, für ihn bleibt es bei einer
Diffusen Mischung aus New Age, Esoterik und Profilneurosen. Dabei vermag
er deren Implikationen öu§erst pointiert und nachvollziehbar zu schildern
Ð und in so manchem Detail trifft er auch ins Schwarze. Nur dass er eben
die Chance einer differenzierten und ernsthaften Darstellung des Neopaganismus
als Religion verpasst, er ist zu sehr in seiner christlichen Arroganz
verhaftet. So ist sein Buch leider nur interessant und unterhaltsam, religionswissenschaftlich
jedoch nicht wirklich aufschlussreich. Schade. Als Materialsammlung, †berblicksarbeit
oder Quelle für kernige Zitate mag es dennoch nützlich sein.
Schamanen Hexer Kannibalen. Die Realitöt des Religiösen. Ioan
M. Lewis. Frankfurt a. M. 1989, leider vergriffen
Auch dieses Buch ist ein wissenschaftliches: Sein Autor ist Professor
für Ethnologie. Und wie manch anderes über den Schamanismus vertritt es
eine individuelle Herangehensweise an dessen Aspekte. Ioan Lewis beschöftigt
sich hier aus ethnologischer Perspektive nicht nur mit Schamanismus, sondern
auch mit stammesreligiösen Phönomenen wie Hexerei, Zauberei, Besessenheit
oder Kannibalismus. Aber anders als seine Kollegen aus Anthropologie und
Religionswissenschaft verknüpft er die einzelnen Aspekte in einer Theorie
über die Ausdrucksformen mystischer Macht und Charisma. Diese vergleichende
Analyse versucht, mit Erkenntnissen über die einzelnen Phönomene die jeweils
anderen zu erhellen und zu erklören. Zugleicht hinterfragt Lewis die Zuverlössigkeit
und Unvoreingenommenheit von Feldforschungen und vergleicht ein wirkliches
Sich-Einlassen des Forschers mit einer schamanischen Initiation, in deren
Verlauf untersuchter Glaube und ethnologische Theorie sich durchdringen.
Das Buch bleibt durch seinen ungewöhnlichen Ansatz spannend, wenn auch
auf einem hohen fachlichen Niveau.
Der
Schamane in uns. Schamanismus als neue Selbsterfahrung, Hilfe
und Heilung. Paul Uccusic. Genf 1991. Preis: EUR 20,50. Taschenbuch
(2000) - 335 Seiten - Ariston-Vlg., München. ISBN: 3720521818
Paul Uccusic ist den Weg eines Seminar-Schamanen gegangen Ð allerdings
tat er dies sehr viel gründlicher als die meisten anderen. Und er tat
es unter anderem an der Seite von Michael Harner, einem der wichtigsten
Wegbereiter des Neo-Schamanismus. Und nun ist Paul Uccusic nicht mehr
nur Journalist und Autor, sondern er ist ein gro§er Schamane und Heiler.
Wie gut er darin wirklich ist, lösst sich anhand dieses Buches nicht beurteilen,
nur eben, dass er sich grö§te Mühe gibt, sein Wissen fundiert weiterzugeben
und dabei für den Neo-Schamanismus zu streiten. Er ist von dessen Segnungen
zutiefst überzeugt und prösentiert neben einer kurzen theoretischen Einführung
vor allem praktisches Material: zu Trance und Kraft, Heilen und Visionen,
Tod, Seele und Zeit. Auch ein Kapitel über Schamanismus in Gro§stödten
fehlt nicht, so dass Uccusics Buch als eine Mischung aus Lese- und Arbeitsbuch
daherkommt. Dabei ist es sehr benutzerfreundlich strukturiert: Innerhalb
der gro§en schamanischen Themenbereiche finden sich jeweils eine Vielzahl
kleiner Abschnitte und Kapitelchen, deren †berschriften neugierig machen.
Das Handwerk des Autors hat Uccusic zweifelsohne gelernt Ð er schreibt
unterhaltsam und doch auf hohem Niveau. Das Handwerk des Schamanen hat
er jedoch auch gelernt. Und deshalb teilt sein Buch vor allem eines nicht
mit zahlreichen anderen Veröffentlichungen über Schamanismus: eine neutrale
Distanz. Das hat seine Vorzüge, wo der Autor tatsöchlich erlebt hat, worüber
er schreibt. Die Nachteile liegen in einer mangelnden Differenziertheit.
Uccusic beschreibt eben sein persönliches Weltbild, wissenschaftliche
Aspekte dienen ihm dabei eher zur Argumentation. Dieses Buch vertritt
einen Schamanismus, der als Neo-Schamanismus, Seminar-Schamanismus oder
auch esoterischer Schamanismus bezeichnet werden kann. Aber es vertritt
ihn gut.
Die Schamanen. Jagdhelfer und Ratgeber, Seelenfahrer, Künder und Heiler.
Hans Findeisen / Heino Gehrts. München 1989, leider vergriffen
Hans Findeisen hat sich in der ersten Hölfte des 20. Jahrhunderts als
einer der Pioniere der russischen Völkerkunde hervorgetan Ð und zwar nicht
nur in deren Theorie. Auch als Feldforscher in Sibirien hat Findeisen
wertvolle Ergebnisse gesammelt, auch und vor allem bereits vor dem zweiten
Weltkrieg, zu einer Zeit, als das sowjetische Staatssystem sich noch in
seinen Anföngen befand. Dieses Nebeneinander von Theorie und Feldforschung
prögt auch diesen von Heino Gehrts herausgegebenen Band, in dem Gehrts
zwei Hauptwerke Findeiesens kombiniert und verdichtet. Der Text Schamanentum,
dargestellt am Beispiel der Besessenheitspriester nordeurasiatischer Völker
von 1957 wird ergönzt und illustriert durch Teile der Textsammlung Dokumente
urtümlicher Weltanschauung der Völker Nordeurasiens von 1970. Die
theoretische Arbeit Findeisens ist ethnologische Grundlagenarbeit zum
sibirischen Schamanismus und gerade auch als historisch-empirisches Material
heute noch von Interesse, auch wenn es angeraten scheint, die Lektüre
dieses Buches durch die aktuellerer Texte zu ergönzen. Die Sammlung von
Berichten, Mörchen und Mythen im zweiten Teil des Bandes allerdings ist
zeitlos und gerade wegen ihrer historischen Ursprünglichkeit als Quelle
von gro§en Wert. Als vertiefende Lektüre zum sibirischen Schamanismus
empfehlenswert.
Schamanen. Mittler zwischen Menschen und Geistern. Stadt Duisburg.
Duisburg 1991, leider vergriffen
Dieses Buch ist als Begleitband zu einer Ausstellung im Kultur- und Stadthistorischen
Museum Duisburg im Jahre 1991 entstanden. Dennoch ist es nicht 'nur' ein
Ausstellungskatalog. Vielmehr folgen die hier veröffentlichten Essays
einer konkreten Thematik. Das Material konzentriert sich auf Völker der
Polarregion: Eskimos, Lappen und Sibirier. Darüber hinaus werden Parallelen
zu vorgeschichtlichen Jögerkulturen aufgezeigt und die Frage eines möglichen
Schamanismus in pröhistorischen Zeiten diskutiert. Die Abbildungen jedoch
machen diesen Band erst zu einer Besonderheit: In Büchern veröffentlichtes
Bildmaterial zum Schamanismus ist selten. Dass es sich hier mit einem
seriösen ethnologischen Anspruch ergönzt, ist ein Glücksfall.
Schamanen,
Pseudoschamanen, Erlöser und Heilbringer. Matthias Hermanns. Wiesbaden
1970, Band I ist leider vergriffen, siehe aber Band II und III weiter
unten
Diese Arbeit aus den 70er Jahren besticht durch ihren schieren Umfang:
drei dicke Bönde! Der Anspruch des Autors ist hoch. Und tatsöchlich Ð
er leistet wohl eine der differenziertesten wissenschaftlichen Betrachtungen
des Phönomens Schamanismus. Sehr klar unterscheidet und definiert er dabei
die weltweiten Erscheinungsformen dieser religiösen Technik mit ihren
jeweiligen kulturellen und spirituellen Hintergründen. Im ersten Band
trennt er zunöchst den Schamanen von Magiern und Medizinmönnern und geht
dann auf schamanische Elemente in Indien, Tibet sowie bei türkischen,
russischen, chinesischen Völkern und den Völkern des Polarkreises ein.
Er arbeitet dabei die Charakteristika des Schamanismus heraus, um sie
schlie§lich im zweiten Band Praktiken und Weltbildern gegenüberzustellen,
die er als Pseudoschamanismus bezeichnet. Hermanns definiert als
Schamanen nur Personen, die eine religiös-magische Ekstasetechnik praktizieren
und eine bestimmte Initiation um Tod und Wiedergeburt durchlaufen. Davon
grenzt er jene ab, die lediglich mit Hilfe von Geistern vor allem Heilungen,
Beschwörungen oder Bannungen vornehmen.
Auf Völker, die solche Pseudoschamanen hervorbringen, geht er im
zweiten Band ein: nordamerikanische Indianer sowie tibeto-indo-chinesische
Grenzvölker. Der dritte Band von Hermanns monumentalem Werk schlie§lich
geht differenziert auf eine weitere Funktion ein, die der Autor vom eigentlichen
Schmanismus unterscheidet: die Erlöser und Heilbringer der Tibeter. Hermanns
dreiböndiges Werk lebt von diesen Definitionen und Differenzierungen,
die es ihm erlauben, sehr genau auf die jeweiligen kulturellen Ausprögungen
des Schamanismus bei verschiedenen Völkern einzugehen. Auch wer seine
sehr engen Begrifflichkeiten nicht teilt, findet hier einen prözisen †berblick
über den Schamanismus als weltweites Phönomen.
Schamanen,
Pseudoschamanen, Erlöser und Heilbringer II. Pseudoschamanen.
Matthias Hermanns. Preis: EUR 36,81. Taschenbuch - F. Steiner Vlg.,
Stg. 1998. ISBN: 3515000860. Leider nicht mehr erhältlich.
Der zweite Band von Matthias Hermanns umfassendem Werk zum weltweiten
Schamanismus sowie dessen Ausformungen und Abgrenzungen. Siehe Rezension
zu Band I.
Schamanen, Pseudoschamanen, Erlöser und Heilbringer III.
Erlöser und Heilbringer der Tibeter. Matthias Hermanns. Preis:
EUR 32,72. Taschenbuch - F. Steiner Vlg., Stg. 1998. ISBN: 3515000879.
Leider ebenfalls nicht mehr erhältlich.
Der dritte Band von Matthias Hermanns umfassendem Werk zum weltweiten
Schamanismus sowie dessen Ausformungen und Abgrenzungen. Siehe Rezension
zu Band I.
Schamanismus.
Heiler, Geister, Rituale. Klaus E. Müller. München 1997. Preis:
EUR 7,90. Taschenbuch - 127 Seiten - C.H.Beck. ISBN: 3406418724
Der Autor dieses kompakten Bandes zum Schamanismus ist Professor für Ethnologie.
Dies prögt seinen Anspruch und seine Herangehensweise an das Thema. Zum
einen bietet er einen klar strukturierten und dennoch umfassenden †berblick
über historische, ethnologische, religiöse, soziale und psychologische
Aspekte des Schamanismus. Zum anderen grenzt er sich gezielt von einem
nicht-wissenschaftlichen Umgang mit schamanischen Inhalten ab (auf den
er dennoch im Nachwort kurz eingeht). Obwohl sich Klaus E. Müller die
Versachlichung auf seine Druckfahnen geschrieben hat, nimmt er den Schamanismus
als Heilungsritual mit spirituellem Weltbild sehr ernst Ð aus der notwendigen
Distanz, versteht sich. Dieser Band bietet dem wissenschaftlich interessierten
Einsteiger fundierte Informationen und sauber recherchierte und reflektierte
Zusammenhönge auf überschaubarem Raum.
Schamanismus.
Was Sie wirklich darüber wissen müssen. Leo Rutherford. München
1998. Preis: EUR 8,00. Taschenbuch - 187 Seiten - Goldmann, Mchn. ISBN:
3442132673. Zur Zeit nur gebraucht über Marketplace zu bestellen.
Goldmanns Was-Sie-wirklich-darüber-wissen-müssen-Reihe hat hervorragende
Bönde über zeitgenössische Spiritualitöt hervorgebracht, so zum Beispiel
Vivianne Crowleys brillantes Buch Naturreligion (siehe Rubrik Neue
Hexen). Das setzt Ma§stöbe, an denen sich Leo Rutherfords Band über
Schamanismus messen lassen muss. Was leistet er also? Zunöchst: Es geht
hier, der Buchreihe entsprechend, um heute gelebte Spiritualitöt, nicht
um die wissenschaftliche Darstellung historisch-ethnologischer Grundlagen.
Also Neo-Schamanismus. Der Autor ist ein 'bekehrter' Ingenieur, der in
seiner Midlife-Crisis den Neo-Schamanismus für sich entdeckte und ihn
nun weitervermitteln möchte. Dies tut er auch in einem Schamanismus-Zentrum
in Gro§britannien.
Rutherfords Seminar-Schamanismus ist fundiert, er hat Erfahrungen bei
namhaften Lehrern in den USA gesammelt, aber es liegt in der Natur der
Dinge, dass es ihm dabei um angewandte, auf den zeitgenössischen Alltag
übertragene Techniken geht, nicht um deren Ursprünge. Die stellt er dennoch
knapp aber recht seriös dar, bevor er auf Medizinrad, schamanische Reise
und Trancetönze eingeht. Diese praktischen Anteile beschreibt er sehr
anschaulich, bettet sie in Geschichten aus seinem Leben ein und stellt
sich so auf eine Stufe mit dem suchenden Leser Ð als ein geistesverwandter
Freund und Führer, der die Situation aus eigener Erfahrung kennt. Er stellt
Techniken und †bungen vor, die sich leicht nachvollziehen und ausprobieren
lassen. Dass diese sich oft im Grenzbereich zu Therapie und Esoterik bewegen,
erscheint dabei nicht als störend. Rutherfords Band führt in einen Jedermann-
und Alltags-Schamanismus ein, der den neugierigen Leser anspricht, welcher
weniger Wert auf Authentizitöt legt, sondern vielmehr auf Selbsterfahrung
und Horizonterweiterung. Er tut dies angenehm zurückhaltend und bodenstöndig,
nicht aus einer Guru-Perspektive heraus. Damit reiht er sich problemlos
in das Niveau der anderen Goldmann-Bönde ein.
Schamanismus
und archaische Ekstasetechnik. Mircea Eliade. Frankfurt
a. M. 1999. Preis: EUR 17,00. Taschenbuch - Suhrkamp, Ffm. ISBN: 351827726X
Das Standardwerk zum Schamanismus. Mircea Eliade gilt als Religionshistoriker
seit Jahrzehnten als herausragende Kapazitöt. Er ist Autor zahlreicher
Bücher und Herausgeber der Zeitschrift History of Religions. Mit der in
diesem Band prösentierten Studie machte Eliade im Jahr 1951 erstmals eine
breite wissenschaftliche …ffentlichkeit auf das Phönomen Schamanismus
aufmerksam, das er gezielt nicht als eigenstöndige Religion bezeichnet,
sondern als Technik der Ekstase. Dieser Schwerpunkt auf eine religiöse
Technik oder Handlungsweise, die der Autor sehr detailliert quer durch
alle Kulturen und Regionen verfolgt, hat sich inzwischen zu einer göngigen
Perspektive entwickelt. Eliade geht aber noch wesentlich weiter und bietet
seinem Leser eine unglaubliche Fülle grundlegender Informationen zu Berufung,
Initiation, Symbolik, Weltbild und Techniken von Schamanen zu allen Zeiten
und an allen Orten. Dabei vermag seine ausdrücklich religionswissenschaftliche
Herangehensweise Zusammenhönge herzustellen, die den Soziologen, Psychologen
oder Ethnologen verborgen bleiben. Dieses Buch liefert unverzichtbare
Grundlagen zum Schamanismus und zugleich genügend Material für eine weiterführende
Beschöftigung.
Shamans, priests and witches. A cross-cultural study of magico-religious
practitioners. Michael James Winkelman. Tempe 1992.
Vergriffen, aber vom selben Autor ist ein weiteres Buch zum Thema erschienen,
siehe unten
Michael Winkelman arbeitet zwar als Dozent für Anthropologie, ist aber
zugleich auch Verhaltensforscher und Psychologe. Dies ermöglicht ihm einen
etwas anderen Blick auf das Phönomen Schamanismus, mit dem er sich im
Rahmen seiner Forschungen über kulturübergreifende magisch-religiöse Heilungspraktiken
beschöftigt. Dieses Buch entstand aus seiner Dissertation und untersucht
die sozialen und kulturellen Grundlagen von magisch-religiöser Praxis
anhand eines breit angelegten Vergleichs verschiedener gesellschaftlicher
Hintergründe und magisch-religiöser Systeme. Dabei stehen drei Aspekte
im Vordergrund: Verönderte Bewusstseinszustönde psychobiologischer Natur
und deren Funktion bezüglich Heilung und der Entwicklung menschlicher
Gesellschaften, die Vereinigung weltlicher und religiöser Macht zu soziopolitischen
Organisationen in komplexen Gesellschaften sowie die Konflikte zwischen
magisch-religiösen Machtstrukturen und Traditionen, welche sich in schwarzer
Magie und Hexerei ausdrücken. Winkelmans Vorgehensweise, Strukturen magisch-religiöser
Handlungen zu vergleichen, erweist sich vor allem als fruchtbar, wenn
es darum geht, Thesen zur Entstehung von Religion bzw. von rituellen Praktiken
Ð wie dem Schamanismus Ð zu entwickeln. Die in diesem Band prösentierten
Thesen stehen selbstverstöndlich nicht als der Weisheit letzter Schlu§,
das Thema ist (religions)wissenschaftlich hei§ diskutiert. Dennoch bietet
Winkelman erfrischende neue Perspektiven, in denen der Schamanismus als
ölteste religiöse Praxis eine zentrale Rolle spielt.
Shamanism
: The Neural Ecology of of Consciousness and Healing. Michael
Winkelman. Preis: ($ 70,95) ca. EUR 100,90. Gebundene Ausgabe - 336
Seiten - Bergin & Garvey. 2000. ISBN: 0897897048
Leider liegt dem Rezensenten dieses Buch nicht vor. Da jedoch Michael
Winkelmans erste Veröffentlichung zum Schamanismus nicht mehr erhöltlich
ist, sei dieser Nachfolgeband dennoch kurz vorgestellt. Basierend auf
der Kurzbeschreibung, die der Autor selbst zu seinem neuen Buch verfasst
hat, kann davon ausgegangen werden, dass er seinen hochinteressanten Ansatz
aus Verhaltensforschung, Psychologie und Anthropologie hier erfolgreich
weiterentwickelt hat. Auch in diesem Band geht es um psychobiologische
Voraussetzungen von Schamanismus und spirituellem Heilen, um archetypische
Strukturen von Gehirn und Bewusstsein und verönderte Bewusstseinszustönde,
und wieder bilden kulturübergreifende Studien die Grundlage für Winkelmans
Thesen. Der Schwerpunkt liegt diesmal deutlicher auf dem Aspekt des spirituellen
Heilens und seiner Voraussetzungen, vor allem in bezug auf innerpsychische
und kognitive Prozesse. Dabei geht der Autor expliziter auf das Phönomen
Schamanismus ein als in seiner ersten Veröffentlichung und prösentiert
wiederum neue Thesen und Herangehensweisen, die einen sehr aktuellen Stand
alternativer wissenschaftlicher Forschungen zu diesem Komplex widerspiegeln.
Wenn Winkelman das Niveau seines ersten Buches hölt, so ist auch hier
eine fundierte, interdisziplinöre Studie zu erwarten, die nicht vor ungewöhnlichen
Schlüssen zurückschreckt. Interessant nicht nur für Religionswissenschaften
und Anthropologie, sondern auch für Medizin, Psychologie und Psychiatrie.
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